1. Vorwort:

Seit Herbst 2007 beschäftigt sich der Naturschutzverein mit dem geplanten Ausbau des Stichkanals Hildesheim. Der Stichkanal Hildesheim (SKH) verbindet den Mittellandkanal mit dem Hafen Hildesheim. Er wurde 1928 in Betrieb genommen.

Das Buch „Geschichte des Dorfes Harsum 1022 – 1930“ enthält hierzu folgendes Zitat:

 

„Der Stichkanal sollte Hildesheim an den bis Hannover fertigen Mittellandkanal anschließen. Die Stadt Hildesheim versprach sich große wirtschaftliche Vorteile von diesem Stichkanal. Weniger groß war die Begeisterung in den Orten, welche vom Kanalbau getroffen, wertvolle Ländereien zu dem Bau desselben abtreten mußten.“

 

 

Besteht Interesse an weiteren historischen Details zum Kanalbau ? Dann folgen Sie bitte folgendem Link:

 

 

- Harsum und der Kanalbau (Geschichte)

 

 

 

 

Nachdem der Kanal nach seiner Fertigstellung seit Jahrzehnten in Gebrauch ist, soll er nunmehr an die Bedürfnisse größerer Schiffsklassen angepasst werden.

 

Im Zuge des Ausbaus des Stichkanals Hildesheim zur Wasserstraßenklasse Vb wurde von 2007 bis 2012 die marode alte Schleuse Bolzum durch eine neue Schleuse ersetzt, im Hinblick auf einen möglichen Ausbau des Stichkanals gleich mit größeren Abmessungen (Nutzlänge/Breite/Abladetiefe: 139 m/12,50 m/2,80 m) und ohne Sparbecken.

 

Im Falle eines weiteren Ausbaues des Stichkanals soll das Oberwasser der Schleuse um 0,5 m angehoben werden, sodass die Fallhöhe dann 8,50 m beträgt. Die Schleuse ist der Fernbedienzentrale Anderten angeschlossen.

 

 

Die neue Schleusenanlage wurde am 2. November 2012 eingeweiht, die alte Schleuse bleibt als technisches Denkmal erhalten.

 

Nach erfolgter Anpassung der ohnehin sanierungsbedürftigen Schleuse an die Maße größerer Schiffsklassen soll nach dem Willen der Planer  auch ein entsprechender Ausbau des Stichkanals bis nach Hildesheim erfolgen.Bausünden der Vergangenheit, die aufgrund der besonderen geologischen Bedingungen des hiesigen Raumes wiederholt Arbeiten an nachrutschenden Rändern des Kanalprofils erforderlich machten, sollten gleichzeitig mit beseitigt werden. Dieser Ausbau ist jedoch aktuell noch ungewiss, da sich der Bund als Träger des Vorhabens angesichts knapper Haushaltsmittel auf diejenigen Binnenwasserstraßen konzentrieren will/muss, die ein entsprechendes Transportvolumen aufweisen. Der Stichkanal Hildesheim ist aufgrund seiner im bundesweiten Vergleich relativ geringen Mengen transportierter Güter dem sog. Randnetz zuzuordnen, dem keine Ausbaupriorität mehr beizumessen ist. Dieser Umstand ist Gegenstand regem politischen Tauziehens.

Für den Bereich der Gemeinde Harsum, in dem der Kanal in einem sog. Einschnittsbereich verläuft, der Wasserspiegel sich mithin unterhalb des umliegenden Geländeniveaus befindet, würde ein Ausbau nach gegenwärtigem Planungsstand eine Änderung des Kanalprofils mit massiven Auswirkungen auf die Böschungsränder bedeuten. Abholzung des dortigen Baum- und Gebüschbestandes, massive Eingriffe in die in 80 Jahren "gewachsene" Böschungsfauna und -flora durch eine angekündigte Abflachung der Böschungsprofile und Neugestaltung der aktuell noch "lauschigen" Böschungsränder nicht nach den Bedürfnissen Erholung suchender Bürger sondern nach den Bedürnisses einer maschinellen Pflege der Böschungsränder vom LKW aus. Das ist billiger als die derzeitigen Pflegearbeiten durch entsprechende Schiffe.

 

Was nach Fertigstellung des Kanals in Jahrzehnten gewachsen ist, wird zerstört.

 

 

Es gibt Parallelen zur historischen Situation der Neubauplanung. Auch heute regt sich in der Region Widerstand gegen das Ausbauvorhaben. Wirtschaftliche Rechtfertigungen werden kritisch hinterfragt. Eine Region entdeckt den Kanal als Teil ihres modernen Lebensraumes. Einerseits zerschneidet der Kanal den Raum. Brücken im Verlaufe der traditionellen Verbindungswege mildern diesen Effekt, sollen zum Teil jedoch ebenfalls wirtschaftlichen „Notwendigkeiten“ geopfert werden. Andererseits hat der Kanal als künstliche Binnenwasserstraße noch eine ganz andere Funktion in der Region übernommen: er verbindet als eine ökologisch außerordentlich wichtige „lineare Struktur“ in seinem Verlauf eine Vielzahl kleiner Lebensräume. Lebensräume zwischen Wasserfläche und der umliegenden intensiv landwirtschaftlich genutzten Bördefläche. Ein schmales, grünes Lebensband. Ökologisch genauso wertvoll wie optisch das Landschaftsbild aufwertend. Und dieses Lebensband dient nicht „nur“ Flora und Fauna. Auch der Mensch nutzt den kanalbegleitenden, seit einigen Jahren ausgebauten Betriebsweg für seine Freizeitbetätigungen, treibt dort Sport, geht spazieren, fährt Rad.

Ein Kanalausbau wäre in der Sprache des Gesetzes ein „Eingriff“ in Natur und Landschaftsbild. Dieser Eingriff müsste ausgeglichen werden. Für einen Ausgleich bedürfte es Land. Land, das heute überwiegend von der Landwirtschaft genutzt wird. Landwirtschaft und Naturschutz sind sich einig: ohne Not sollte man die örtlichen Verhältnisse nicht ändern. Der Ausbau täte beiden gleichermaßen weh.

 

 

Der Ausbau des Stichkanals ist ein außerordentlich komplexes Thema. Eine intensivere Beschäftigung mit dieser Thematik führt in unterschiedliche Fachdisziplinen. Diese Beschäftigung ist jedoch wichtig, damit aus dem „Gerede“ ein „Gespräch“ mit den hinter einem Ausbau stehenden staatlichen Stellen werden kann.

 

Denn die vermeintliche politische Zauberformel eines „naturverträglichen Ausbaues“, der die unterschiedlichsten gegenläufigen Interessen miteinander aussöhnen soll, markiert bei nüchterner Betrachtungsweise nicht das mögliche Ende eines Ringens um die „beste Lösung“. Diese Forderung wird seit Beginn der Diskussion in 2007 von Naturschutz und engagierten Gemeindebürgern erhoben. Das Problem besteht darin zu definieren, was unter einem "naturverträglichen Ausbau" konkret zu verstehen sein soll. Mit solchen Details mag sich so mancher politischer "Macher" jedoch erst gar nicht zu belasten. Wirtschaft genießt Vorfahrt ! Zumindest bis zur nächsten Wahl.   

 

 

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